Ich bin kein Gegner der Digitalisierung, auch nicht einer des E-Governments. Ich habe selber dazu beigetragen und ein Leben lang davon gelebt. Mit E-Voting hat die Bundesverwaltung aber den Bogen überspannt. Die Grundlage unseres Staatswesens, unserer Einzigartigkeit und unseres Wohlstandes wird damit untergraben: die direkte Demokratie.
Es werden fast täglich Cyberangriffe gemeldet und das gerade bei denjenigen Systemen, die wir alle benutzen. Wie kann man glauben, dass die IT bei E-Voting sicher wäre? Nein, das tut nicht einmal die federführende Bundeskanzlei. Aber sie glaubt, dass durch Kontrolle die Risiken im Griff sind. Nur, die Kontrolle kann sie nicht selber durchführen, denn Anonymität der Stimmabgabe ist ebenfalls ein zentrales Anliegen. In der Folge ist sie der Meinung, dass jede(-r) Stimmbürger(-in) die Kontrolle selbst durchführt und somit auch selbst schuld ist, wenn er/sie es nicht oder nicht richtig tut.
Ich als Stimmbürger bin aber darauf angewiesen, dass alle Stimmen richtig gezählt werden und nicht nur meine eigene. Ich bin nicht bereit, das Risiko zu tragen, dass doch nicht alle Stimmbürger/-innen die komplizierten Vorgänge bei der elektronischen Stimmabgabe ganz richtig machen. Und ich glaube nicht daran, dass, falls etwas schiefgeht, die Bundes- oder Kantonsverwaltungen den komplizierten Vorgängen, die durch Cyberangriffe ausgelöst werden, akribisch genug nachgehen können. Denn sie haben bei weitem nicht genügend Ressourcen dafür und daher auch kein Interesse daran, die Öffentlichkeit vollumfänglich aufzuklären. Wer aber trägt jetzt aber die Verantwortung für die Stimmenauszählung und steht gerade dafür? Eine Nachzählung ist unmöglich!
Dazu kommt, dass alle Auswertungselektronik von Insidern (IT Spezialisten) auch ganz unbemerkbar im grossen Stil manipuliert werden könnten, Spezialisten, die die Öffentlichkeit weder kennt noch wählt. Der Vertrauensanspruch, den man hier stellt, ist zu gross. Demokratische Kontrollinstanzen, welche in die Lage versetzt werden müssten, das Ganze zu verstehen und überwachen, sind keine in Sicht.
Die leisesten Zweifel an der Korrektheit der Abstimmungsergebnisse werden das Vertrauen in unseren Staat erschüttern. Manipulationsvorwürfe sind nicht mehr nur auf die Meinungsmachung bezogen, was man als Teil des politischen Prozesses verstehen kann. Die Vorwürfe treffen jetzt auch die Stimmen-Auszählung, wie in einer Bananenrepublik. Sie sind aber weder zu beweisen noch zu widerlegen. Jeder kann somit alles behaupten! Das innenpolitische Klima wird rauher. Die Bedeutung von Volksentscheiden wird dadurch auch international zerbröseln.
Die Anonymität der Stimmabgabe wird von der Applikation E-Voting durch den applizierten Abstimmungsprozess glaubhaft zugesichert. Aber Daten auf jedem normalen Computer am Internet sind generell nicht wirklich schützbar. Wie soll das zusammenpassen?
Und wofür das alles? Was ist eigentlich der Nutzen der ganzen Sache? Ein bisschen Bequemlichkeit? Im Inland ist doch eigentlich gar keiner vorhanden (ausser vielleicht der Erleichterung bei handicapierten Personen)! Ob E-Voting Kosten spart? Kostenfragen sind überhaupt nicht geklärt! Auslandschweizer (10%) sind gewiss froh, die spät eintreffenden Dokumente doch noch studieren und rechtzeitig abstimmen zu können.
Aber eine Lösung dieser effektiven Probleme wäre doch viel, viel billiger zu haben: Unterlagen rechtzeitig erstellen und wegschicken! Gesammelte Antworten könnten z.B. von den gesicherten Umgebungen bei den Konsulaten und Botschaften elektronisch übermittelt werden. Und warum sollen wir Schweizer Direktdemokraten die ersten sein, die E-Voting einführen, während Deutschland, Frankreich und Norwegen das ausdrücklich ausschliessen?